IoT ist in aller Munde. Eine klare Definition ist unmöglich und die damit verbundenen Technologien unüberschaubar. Dieser Beitrag bringt diesbezüglich keine Besserung. Es sind einige Gedanken aus der Sicht der ISET GmbH - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
IoT, meine Definition
IoT umschreibt „ein Ding“, bestehend aus Elektronik und Software. Dieses Ding besitzt eine mehr oder weniger sinnvolle Funktionalität. Es ist eingebunden in einem - oder gar dem Netz aller Netze (WWW). IP-Telefone gehören ebenso dazu wie die hapifork, eine Gabel zum gesund Essen, ausgerüstet mit einem ARM® Cortex®-M0 Prozessor!
IoT in der Gebäude- und Hausautomation
Welche Auswirkungen das Internet der Dinge (IoT) auf die Gebäude- und Hausautomation (HA) hat, dessen sind sich wenige bewusst. Dies ist aufgrund der Komplexität und den umfangreichen Anwendungsmöglichkeiten nicht verwunderlich. Folgendes Bild kann dies trefflich illustrieren. Wie daraus ersichtlich, ist die Hausautomation (Smart Home) nur einer unter vielen Themenbereichen innerhalb des IoT.
Welches sind die relevanten Standards bei IoT?
Die Bezeichnung Standard muss bei IoT mehrere Punkte berücksichtigen. Zum Beispiel den physikalischen und den protokollarischen Aspekt inklusive Semantik.
Physikalisch
Diese Standards definieren wie IoT's untereinander oder mit dem Rest der Welt physikalisch verbunden sind. Dabei unterscheidet man prinzipiell zwischen Kabel und Funk basierenden Systemen. Einige Beispiele:
Kabel: Stromschnittstelle TTY / EIA232/485 / CAN / Ethernet / „Powerline“ / ...
Funk: ZigBee / EnOcean / Z-Wave / NFC / HomeMatic / Bluetooth / WLAN (Wi-fi) / ...
Die Vor- und Nachteile der verschiedenen physikalischen Standards sind für sich ein umfassender Themenbereich. Dies wird hier nicht weiter ausgeführt.
Wichtige Aspekte sind:
- Zuverlässigkeit / Sicherheit (besonders bei Funkübertragung)
- Kosten (Infrastruktur wie Verdrahtung, Anzahl Funkknoten etc.)
- Verbreitung (welche mir nützlichen IoT's besitzen den gleichen Standard)
Protokoll und Semantik
Selbst wenn IoT's identische, physikalische Schnittstellen aufweisen, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie miteinander kommunizieren können. Nutzen sie nicht dieselbe Kommunikationsmethode (Protokoll), werden sie sich nie verstehen. In der Praxis sind sie in einem System nicht nutzbar, stören oder blockieren es.
Damit nicht genug. Selbst bei gleichem Protokoll ist die gemeinsame Nutzung nicht zwingend garantiert - dies wenn Inhaltlich keine Übereinstimmung vorliegt (Beispiel: das Protokoll MQTT Message Queue Telemetry Transport).
IoT miteinander zu verbinden und auch zu nutzen, ist alles andere als selbstverständlich. Dazu braucht es Standards auf verschiedenen Ebenen.
Es sind einige Bestrebungen im Gange, IoT-Technologien und Anwendungen zu standardisieren. Nebst Idealisten engagieren sich Grosskonzerne wie SIEMENS, Panasonic, ABB, Bosch - um nur einige zu nennen.
Wer glaubt, dass die Vielzahl der Standards in naher Zukunft harmonisiert werden, wird enttäuscht. Zu verschieden sind die Interessen der beteiligten Parteien. Zudem werden, abhängig vom Nutzungszweck, unterschiedliche Anforderungen an IoT und deren Funktion gestellt. So ist die Sicherheit bei der Übertragung von Daten, z.B. zwecks Öffnen einer Türe, zwingend zu gewährleisten. Andererseits, wenn der Nachbar die Temperatur des Wohnzimmers auf dem Funknetz „mithören“ kann, ist dies noch kein Sicherheitsrisiko.
Betrachtet man die Grafik ganz am Anfang, ist es verständlich, dass es „den“ Standard nie geben wird! Einige haben sich behauptet oder werden sich behaupten, andere nur in speziellen Anwendungen zum Tragen kommen und wieder andere in der Weite des World Wide Web in die Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Eine der zentralen Fragen lautet daher:
Welche Faktoren beeinflussen die Akzeptanz und somit die breite Nutzung eines IoT Standards?
Dazu folgende Überlegungen:
- Mit der Einführung von IPv6 gib es theoretisch keine Begrenzung was die eindeutige Adressierung von „Dingen“ angeht. Mit 128Bit könnten eine ganze Menge Dinge, genau „340'282'366'920'938'463'463'374'607'431'768'211'456“, adressiert werden. Auf 1mm2 Erdoberfläche sind das ca. 667 Billiarden (1015) !
Diese Zahl zeigt, dass eine Standardisierung, zumindest auf der Protokollebene IPv6, zwingend ist.
Ansonsten hätten wir das völlige Chaos.
Bemerkung: Gemäss Spezifikation IPv6 sind für IoT natürlich längst nicht alle 128 Bits nutzbar. - Die Hardwarekosten für einen IoT Knoten sind so tief (wenige Franken), dass alle möglichen Dinge, sofern sinnvoll, damit ausgerüstet werden können. Damit die Kosten auf der Softwareseite in einem vernünftigen Verhältnis stehen, drängt es sich auf, bestehende Technologien (physikalisch/inhaltlich) zu adaptieren. Dies funktioniert nur dann, wenn Standards offengelegt werden.
- Die niedrigen IoT Kosten, gepaart mit den frei (nicht immer gratis) zugänglichen Standards, motivieren weltweit unzählige, sogenannte „Makers“, Lösungen zu realisieren. Als „Abfallprodukt“ ist auf dem Netz eine schier unendliche Fülle von mehr oder weniger frei (Lizenzierung) verfügbarer Software vorhanden. Die qualitative Bandbreite bewegt sich dabei von „na ja“ bis professionell.
- Erfahrungen und Probleme der angewendeten Technologien werden auf dem WWW rege ausgetauscht. Indirekt funktioniert diese grosse Gemeinschaft als freie, kostenlose „Entwicklungsabteilung“. Als Nebeneffekt werden Technologien verbessert. Von der Gemeinschaft „technisch“ Akzeptiertes, wird verbreitet. So findet eine Art Selektion statt.
Grosskonzerne können sich diesen Tatsachen nicht entziehen. Bisweilen werden „gute Ideen“ oder Jungfirmen desshalb präventiv einfach aufgekauft.
Oben beschriebene Entwicklungen (offene Standards) entsprechen ja nicht von Natur aus dem Szenario, dass sich gewinnmaximierte Unternehmungen wünschen. Vorteilhaft möchte jeder seine (geschützten) Standards als das Mass aller Dinge durchsetzen. Womit wir beim Wuchern derselben angekommen sind.
Die Cloud
Viele Anbieter nutzen eine Cloud zum Anbinden ihrer IoT/HA-Komponenten, speziell wenn die Funktionalität von überall nutzbar sein soll (World Wide Web). Was bedeutet dies für den Benutzer? Normalerweise nichts, es funktioniert ja meistens!
Die Cloud: Warum bekommt Mann/Frau „gratis“ ausgelagerte Rechnerleistung, Funktionalität und Speicherplatz zur Verfügung gestellt?
Gratis gibt es natürlich nichts, bezahlt wird indirekt oder direkt mit:
- Benutzerdaten
- Produktebindung
- Abgeltung für erweiterte Dienste
Ich will an dieser Stelle weder für, noch gegen die Nutzung von Clouds Stellung beziehen. Dennoch gibt es Aspekte die eine Überlegung wert sind. Stellen sie sich vor, sie kommen morgens um eins nach Hause und müssen sich im dunklen Treppenhaus zur Eingangstür vortasten. Dies nur, weil die Cloud nicht erreichbar ist.
IoT / HA, wo stehen wir in der Praxis ?
Es gibt eine Unmenge an „Experten“, die über IoT in allen erdenklichen Medien und an Informationsanlässen berichten. Wirkliche Experten mit dem nötigen Fachwissen und vor allem dem Überblick, sind eher dünn gesät.
Der Markt wächst unabdingbar. Küchengeräte, Rollläden, Beleuchtungen, Bewässerungen und was es sonst noch alles im, am oder um das Haus gibt, lassen sich heute problemlos über ein Smartphone steuern und überwachen.
Diverse Produkte gibt es für wenig Geld in Grossmärkten zu kaufen. Inwiefern diese für den professionellen Alltagseinsatz taugen, sei dahingestellt. Natürlich gibt es auch den Fachhandel mit etablierten und bewährten Systemen. Die Kosten für solche Lösungen bewegen sich schnell mal bei ein paar tausend Franken.
Egal in welchem Preis- und Qualitätssegment ein Produkt gewählt wird, ein Wermutstropfen gibt es fast immer. Die Produkte verschiedener Anbieter können oft nicht oder nur bedingt gemeinsam in einer einzigen Anwendung genutzt werden. Doch wer will heute schon 10 verschiedene Apps auf seinem Mobile, nur um sein „Smart Home“ zu nutzen?
Auch gibt es Spezialfälle für die keine fertige Lösung verfügbar ist. Die physikalische Adaptierung (Elektronik) kann meistens realisiert werden (dazu gibt es ja uns). Ist das verwendete Kommunikationsverfahren und die Einbindung in das System nicht „offen“ dokumentiert, stösst man an die Grenzen des Machbaren.
Verschiedene autonome Lösungen bedeuten in der Praxis, dass nicht alle Komponenten untereinander interagieren können. Der theoretisch mögliche Funktionsumfang ---X--- kann nicht genutzt werden.
Beispiel (siehe Bild): Der Ausfall der Kühltruhe wird akustisch auf der Hausglocke signalisiert. Natürlich nur wenn jemand zu Hause ist (Anwesenheitskontrolle).
Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt, Systeme zu realisieren, die alle verfügbaren Komponenten nutzen.
Die Antwort ist JEIN
JA: Proprietäre Produkte müssen nicht zwingend genutzt werden, es gibt genügend Alternativen. Im Bereich der Software (Applikation) ist es dank Open Source möglich, offene, zukunftsorientierte Systeme zu realisieren.
NEIN: Proprietäre Hard- und Softwarelösungen können nicht oder nur über Kunstgriffe (Hacks, Reverse Engineering usw.) direkt adaptiert werden. In einigen Fällen lassen sich sogar diese Komponenten über ihre Zugangsknoten (Gateways etc.) in ein offenes System einbinden.
Mir ist bewusst, dass bei einigen der Begriff „Open Source“ (OS) negativ belastet ist. Ich sage es etwas pointiert. Es ist sicher nicht die Schuld von OS, wenn sich die Microsoft PowerPoint Datei des Kollegen nicht „richtig“ unter LibreOffice öffnen lässt. Nebenbei bemerkt, die meisten Kritiker nutzen unbewusst eine ganze Menge OS-Software. Es sei denn, das World Wide Web sei ihnen völlig fremd.
Ein wesentlicher Punkt: Nutzbare OS darf nicht mit „gratis“ verwechselt werden. Die Kosten fallen als Aufwand an anderer Stelle an:
- Einarbeitung in die Materie
Dieser Punkt ist für den Benutzer nicht relevant, jedoch für die an der Umsetzung eines Projektes beteiligten Personen. - Aufwand beim Beheben von Fehlern
Es wäre anmassend zu behaupten, dass OS bessere Software generiert. Fehler können aber aufgrund des offenen Quellcodes beseitigt werden. - Erweitern, optimieren
Der Funktionsumgang von OS Software kann, aufgrund fehlender Mittel oder Ressourcen des Urhebers, teilweise beschränkt sein. Eine Erweiterung oder Verbesserung ist möglich. Das ist ein wichtiger Unterschied zu proprietären Lösungen. - Dokumentieren
OS Lösungen müssen auch angemessen dokumentiert werden. Dies geht oft vergessen, ist aber ein wichtiger Faktor.
Schlussbemerkung
Dank der rasanten Entwicklung von IoT und Open Source Software lassen sich im Bereich Haus- und Gebäudeautomation - aber auch in vielen anderen Einsatzgebieten - interessante Projekte mit einem vernünftigen Kostenrahmen realisieren. Wir schaffen Mehrwert auf der Basis der Dienstleistung. Die Wahl offener Software ist zugleich ein Investitionsschutz des Kunden.
- open Home Automation Bus (openHAB) -
Autor: Heinz Herren, ISET GmbH